von Mary Jane & Stefan Heringer
Sehr geehrte Damen und Herren,
als regelmäßiger Newsletter-Leser wissen Sie vermutlich, dass wir bei Branchen-Investments in aller Regel sehr zurückhaltend sind. Aber momentan gibt es mal wieder eine spezielle Nische, die gerade in Deutschland in den letzten Wochen sehr hohe mediale Aufmerksamkeit erlangt hat und es einer ausgesuchten Klientel offenbar besonders angetan hat – die Rede ist von Cannabis. Nachdem der Gesetzgeber vor Kurzem die weitgehende Legalisierung von Cannabis beschlossen hat, kriegt man als Kapitalist womöglich leuchtend rote Augen ob der Chancen, die sich potenziell daraus ergeben.
Cannabis: Löst sich der Investment-Hype bald in Rauch auf?
Einen ersten großen Hype hat die internationale Cannabis-Branche schon einmal vor gut sechs Jahren erlebt, als die Legalisierung in Teilen der USA und Kanada erfolgte. Damals las man regelmäßig von Prominenten wie Snoop Dogg oder Jay-Z, die öffentlichkeitswirksam in entsprechende Unternehmen aus der Branche investierten. Natürlich reiner Zufall, dass diese Herrschaften dazu neigten, ihren eigenen Konsum prominent zur Schau zu stellen. Ist so was jetzt auch in Deutschland zu erwarten? Und welche Prominenten kommen dafür infrage? Erlebt die Jamaika-Koalition in Zukunft wieder eine Renaissance? Welcher Finfluencer macht den ersten Pot-Cast zu dem Thema?
Doch zurück zum eigentlichen Investment-Thema: Man mag es kaum glauben, aber auch zu einem Nischenthema wie Cannabis gibt es mittlerweile mannigfaltige Investment-Möglichkeiten. Zum einen natürlich direkt in einzelne Firmen. Wer sich als Kenner des Stoffs fühlt, kann sich ein Unternehmen suchen, das eine spezielle Sorte nach eigenem Geschmack produziert. Aber Vorsicht: Es handelt sich in der Regel um sehr kleine Firmen und die Gefahr, dass sich Ihr Investment in Rauch auflöst, ist immens. Und wir müssen Sie leider enttäuschen: Sachdividenden sind schon seit Jahrzehnten unüblich. Insofern wird die Dividende, sofern jemals eine fließt, nur in Euros und nicht in Naturalien erfolgen.
In Gras investieren: physisch oder als Genussschein?
Wer es lieber breit diversifiziert mag: Einige wenige aktive Fonds mit nennenswerten Anteilen in Cannabis-Werten erweitern das Angebot. Dabei frage ich mich unweigerlich, welche Qualifikation der Fondsmanager für die richtige Selektion mitbringen muss.
Selbst als ETF-Investor gibt es ein veritables Angebot an investierbaren Indizes, was zumindest aus Kostengesichtspunkten deutlich attraktiver scheint als die aktiven Vehikel. Es gibt sogar Privatbanken, die explizit eigene Themen-Vermögensverwaltungen in diesem Segment offerieren bzw. das in der Vergangenheit getan haben. Wie darf ich mir da die Aufteilung des Portfolios vorstellen? 15 % Critical Cush, 5 % Bubba Cush, 20 % AK47, 10 % Blueberry Haze, 25 % Purple Haze, 12,135 % Space Cookies und 23 % White Widow. Hihihihihihi, mehr als 100 % – wie konnte das denn passieren?
Wie auch immer: Wer dort investiert hat und sich die Wertentwicklung dieser ETFs seit dem ersten Legalisierungs-Hype ansieht, dem hilft am Ende dann wohl doch nur noch der Griff zum Dübel. Der Rize Medical Cannabis and Life Sciences ETF etwa hat sich nach einem Verlust von über 80 % seit seinem High vor drei Jahren inzwischen endgültig in Rauch aufgelöst. Gut, es ist nicht das erste Mal, dass ein Fonds dichtmacht.
Das Wichtigste beim Investieren: Die richtige Dosis und immer gelassen bleiben
Unabhängig von unserer privaten Meinung zur Legalisierung bleiben wir felsenfest davon überzeugt, dass aus Investment-Aspekten auch diese Branche aus Chance-Risiko-Gesichtspunkten nicht zu empfehlen ist. Wenn Sie eine gewisse Sympathie für das Thema mitbringen, dann investieren Sie meinetwegen ein paar Euro. Und wenn die Spekulation nicht aufgeht, haben Sie persönlich ja vielleicht eine Strategie, mit der Enttäuschung gelassener umzugehen. Ihre finanzielle Zukunft von so einer Wette abhängig machen sollten Sie auf keinen Fall.
Gönnen Sie sich lieber einen tiefen Zug Gelassenheit und lassen Sie auch dieses Modethema an sich vorbeiziehen – in ein paar Jahren ist Gras über die Sache gewachsen.
Alles Liebe
Ihr
Stefan Heringer
Neunundvierzig Honorarberatung
P. S.: An dieser Stelle herzlichen Dank für die Inspiration zu diesem Artikel an einen unserer Mitstreiter für faire, transparente Beratung in Deutschland, Prof. Hartmut Walz.
01/04/2024