von Dr. Nikolaus Braun
Sehr geehrte Damen und Herren,
bevor Sie sich für das nächste Jahr vornehmen, so viel wie möglich zu erreichen oder zu erleben, halten Sie bitte noch einmal einen Moment inne:
FOMO, the Fear of missing out, also die Angst, etwas zu verpassen, scheint die Krankheit unserer Zeit zu sein.
• Dutzende E-Mails pro Tag
• Was passiert auf Facebook, LinkedIn, Twitter, Insta?
• Täglich heiße Investmenttipps auf den Financial-Entertainment-Seiten
• Wann haben Sie die Nachrichten-App oder (wie ich) den Postillon das letzte Mal gecheckt?
• 17 Optionen am Nachtisch-Büfett
• So viele neue Serien auf Netflix, Amazon Prime, der ARD Mediathek oder auf Disney Plus
• 3.353 in Deutschland investierbare ETFs – allein 396 auf den US-Markt
• 48 Ferienwohnungen in der Toskana, die den engeren Suchkriterien entsprechen
• Überhaupt, wohin fahren? Italien, Spanien oder doch in die USA oder lieber an die Nordsee oder...?
• 25 Bücher auf dem Stapel für die Sommerferien
• Zwei Dutzend spannende Tutorials, Blogbeiträge und YouTube-Posts zum Thema Investment
Wir werden so oder so fast alles verpassen
Egal ob toxische, unterhaltsame oder sinnvolle Optionen, eines ist klar: Wir werden so ziemlich alles verpassen. Mit jeder Entscheidung für etwas verzichten wir – ob wir wollen oder nicht – auf 100 andere Möglichkeiten. Und es bleibt die Gewissheit: Ich habe nicht das Optimum bekomme; der Verdacht: es sind die anderen, die die besseren Erlebnisse, die sich für die besseren Güter entschieden haben: das bessere E-Bike, die optimalere Kapitalanlage, den schöneren Urlaub.
Das Internet als Brandbeschleuniger von FOMO
Das war schon immer so, aber das Netz hat das Problem noch weiter beschleunigt. Teilweise scheinen wir regelrecht an unseren Smartphones zu kleben. Beschäftigt-Sein und ständige Ablenkung erodieren unsere Nerven. Auch der Versuch, durch besseres Zeitmanagement immer mehr Inhalt in die knappe (Lebens-)Zeit zu pressen, ist eher eine Sackgasse und verschärft das Problem mehr, als dass es dieses entspannt.
Das Leben ist keine endlose To-do-Liste
Noch einmal: Wir werden fast alles verpassen. Doch genau das ist eine befreiende Erkenntnis, wenn man nur die Blickrichtung ändert. Das Leben ist keine endlose To-do-Liste. Es ist die Knappheit von Zeit, Gütern und Handlungsoptionen, die unseren Entscheidungen Bedeutung verleiht. Tauschen Sie ein bisschen (oder ganz viel) Geld in Zeit: Schalten Sie das Smartphone auf Flugmodus und gehen Sie zum Laufen, Spazieren, ein Wochenende in die Berge, mit den Kindern in den Tierpark, verkriechen Sie sich mit einem Buch auf dem Sofa … Machen Sie genau eine Sache – und nur die.
Es gibt eine Kur für FOMO: JOMO, the Joy of missing out. Probieren Sie es aus.
Alles Liebe und ein gesundes und zufriedenes Jahr 2024
Ihr
Nikolaus Braun
Neunundvierzig Honorarberatung
P. S.: Wenn Sie tiefer einsteigen wollen, empfehle ich Ihnen Oliver Burkeman: 4.000 Wochen. Das Leben ist zu kurz für Zeitmanagement. 2022.
P. P. S.: Rückfragen, Kritik oder Anmerkungen schicken Sie gern an nachdenken@neunundvierzig.com
Drei unserer Lieblingsblogs zum Thema „Lebensqualität gewinnen“:
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• Gute und schlechte Fragen zum Thema Geld
• Erben oder wen Mama und Papa am liebsten hatten
30/12/2023