von Stefan Heringer
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin seit mittlerweile 24 Jahren im Finanzbereich tätig, und nachdem ich viele Kollegen aus der Finanzbranche kenne, kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass ich einer der wenigen bin, die ihren Job wirklich lieben. Ein Zyniker könnte sagen: Ich kümmere mich um die finanziellen Probleme von Menschen, die keine finanziellen Probleme haben. Und zugegebenermaßen sind unsere Mandanten in der Regel allein schon aufgrund ihres monetären Hintergrunds sehr privilegiert.
Aber das ist nicht das Wesentliche. Man lernt völlig unterschiedliche Menschen kennen, aus den unterschiedlichsten Bereichen, viele mit spannenden Biografien. Unternehmer, leitende Angestellte oder Vertriebler, die in ihrem Bereich außergewöhnlich erfolgreich sind.
Letzte Woche war wieder so ein Erstgespräch mit einem Interessenten, von dem ich meinen Kollegen danach sofort freudestrahlend erzählt habe – und das nicht (in erster Linie) wegen des finanziellen Hintergrunds. Dabei habe ich wieder einmal gemerkt, warum mir mein Beruf so unglaublich viel Freude bereitet.
Nils*, ein Jungunternehmer Mitte 30 aus Niedersachsen, hat sich in der Schule mehr schlecht als recht bis zum Abitur durchgemogelt. Danach war er relativ lange auf der Suche, was er mit seinem Leben anfangen soll – ohne wirklichen Plan. Er entschied sich für ein BWL-Studium, das ihm noch sämtliche Optionen in alle möglichen Richtungen offenhält. Erst als er seine Freundin und heutige Frau kennenlernte, entwickelte er das erste Mal in seinem Leben einen gewissen Ehrgeiz.
Nach dem Bachelor lernte er bei einem Seminar für Gründungsberatung zwei Studienkollegen kennen. Aus dieser Bekanntschaft entwickelte sich nach einiger Zeit schließlich die Vision, ein eigenes IT-Unternehmen zu gründen. Das Unternehmen hat seit der Gründung eine rasante Geschäftsentwicklung hingelegt. Dieser Weg war nicht linear, sondern gepflastert mit Herausforderungen, mit Höhen sowie prägenden Tiefen. Vor Kurzem kam es zum ersten Teil-Exit, weitere Zahlungen werden absehbar folgen – in Summe ein mittlerer siebenstelliger Betrag nach Steuern. Innerhalb von relativ kurzer Zeit hat er dadurch mit seinen Partnern zusammen seinen Traum von finanzieller Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit verwirklicht.
Und jetzt, wo er dort angekommen ist? Stellt er sich genau die richtigen Fragen!
Es sind im Gespräch sinngemäß Sätze gefallen wie:
• Ich bin glücklich und fühle mich wohl, mein Leben soll sich durch das viele Geld nicht ändern.
• Wie kann ich das Vermögen optimal sinnstiftend nutzen, um mir und meinen Mitmenschen ein zufriedeneres Leben zu ermöglichen?
• Wie kann ich Freunden gegenüber großzügig sein, ohne dass es protzig wirkt? Und weiter auf Augenhöhe bleiben?
• Ich bin stark in meiner ländlichen Heimat verwurzelt und dort ehrenamtlich im Verein tätig. Wie kann ich helfen, ohne als Gönner bzw. Mäzen wahrgenommen zu werden und ohne dass das dann dauerhaft erwartet wird oder sich daraus eine Abhängigkeit entwickelt?
• Erhöht der Kauf einer Ferienimmobilie (und wenn ja – wo?) unsere Lebensqualität oder wird uns deren Verwaltung mittelfristig eher belasten? Kann ich das mit einem nachhaltigen Lebensstil verantworten?
• Was bewirkt das Vermögen später bei meinen jetzt noch kleinen Kindern? Ist das Fluch oder Segen für sie und wie kann ich das positiv beeinflussen?
• Das Vermögen soll MICH nicht verändern.
Wir sind noch in der Akquisitions-Phase und es ist noch nicht klar, ob wir zusammenkommen, ich bin aber sehr optimistisch.
Das ist nur ein stellvertretendes Beispiel: Wir haben so viele angenehme reflektierte Mandanten, mit denen es Spaß macht, zusammenzuarbeiten. Das Klischee, dass Geld den Charakter verderbe, können wir nicht nachvollziehen, zumindest nicht für die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten. Angenehme Menschen werden durch Geld noch angenehmer, reflektierter, sozialer und verantwortungsbewusster. Die Habgierigen und Protzigen, die es durchaus auch gibt, melden sich meist erst gar nicht bei uns oder finden in den wenigen Fällen, wo sie sich hierher verirren, schnell wieder den Weg zur Tür.
Unser Job ist eben nicht „nur“ das Verwalten von Vermögen. Das gehört natürlich auch zu unserer Dienstleistung im Rahmen unserer Tätigkeit als Senior Partner bei der Deutschen Wertpapiertreuhand. Es geht aber vielmehr darum, unseren Mandanten zu helfen, gelungene Lebensentwürfe zu verwirklichen, die Risiken abzufedern und sie dabei zu unterstützen, nicht irgendwo falsch abzubiegen.
Im Fall von Nils freue ich mich darauf, (hoffentlich) mit ihm gemeinsam älter zu werden und als Sparringspartner für all diese klugen Fragen zu fungieren. Und langfristig erleben zu können, wie die nächste Generation lernt, mit dem Vermögen operativ und vor allem mental umzugehen. Teil dieses Prozesses zu sein, ist spannend, immer wieder herausfordernd und vor allem befriedigend. Vielleicht liest sich das für Sie wie Werbung – schade, denn es ist genau das, was mich jeden Tag antreibt und weshalb ich meinen Beruf liebe.
Alles Liebe
Ihr Stefan Heringer
*Nils heißt natürlich nicht Nils und ich habe die Veröffentlichung seiner Geschichte mit ihm abgesprochen und so weit verfremdet, dass seine Privatsphäre geschützt ist.
P. S.: Ich freue mich auf Rückmeldungen unter: nachdenken@neunundvierzig.com.
Unsere drei Lieblingsblogs zum Thema Honorarberatung:
- Honorarberatung ist mehr als ein faires Preismodell
- Honorarberater nett aber unfähig
- Warum ein guter Honorarberater emotional sein muss
Hier finden Sie die fünf aktuellsten Veröffentlichungen der Neunundvierzig Honorarberatung, ob Nikolaus Brauns Kolumne auf SPIEGEL.de, Stefan Heringers Experten-Interviews auf FOCUS oder unsere Beiträge auf YouTube, in Podcasts oder in der Presse.
10/02/2024