von Stefan Heringer
Sehr geehrte Damen und Herren,
unsere nächste Episode beim Durchstreifen des tiefen Dschungels der kapitalbildenden Versicherung widmet sich einem Teilsegment aus der ohnehin schon furchterregenden Kategorie der fondsgebundenen Versicherungen.
Wir haben die fehlende Transparenz von Versicherungen schon mehrmals angesprochen. Es gibt nämlich relativ viele Verträge, bei denen Sie die einzelnen Fondsbestandteile gar nicht separat analysieren können – es fehlen schlicht Wertpapierkennnummern dazu. Dafür haben die Bausteine so wohlklingende Namen wie Best Concept, Komfort-Dynamik, Balance Plus oder Exklusiv-Fonds. Dadurch sind eine fundierte Analyse und ein fairer Vergleich ungleich schwieriger als bei normalen Portfolien. Was sich die Gesellschaften dabei gedacht haben, hier nicht mit offenen Karten zu spielen, ist denke ich mehr als offensichtlich.
Im unten abgebildeten Fall finden Sie ein Paradebeispiel für solch eine Blackbox mit einem besonders schönen klangvollen Namen:
Sie sehen hier einen Auszug aus einer Broschüre der Heidelberger Leben zur Entwicklung ihrer fondsgebundenen Versicherungsbausteine. Die Heidelberger Leben gehörte ursprünglich zur MLP-Gruppe und entsprechend häufig wurde diese Versicherung natürlich rein zufällig auch von „unabhängigen“ MLP-Beratern vertrieben.
Wo man hinsieht: Nebelkerzen
Laut den Initiatoren besteht der Inhalt der Fondspolice aus einer Mischung des „Multi-Asset-Fonds-Vermögensmanagement-Rendite und Vermögensmanagement-Chance“. Klingt beeindruckend, bedeutet aber genau: gar nichts. Denn was in den beiden Fonds denn nun wirklich drin ist, ist beim besten Willen nicht recherchierbar: keine Wertpapiere, keine Transaktionen, keine Kosten. Außer finanzmarkttechnischen Sprechblasen und Marketing-Geblubber: nichts.
Wäre da nicht eine nackte Information, die es dank einer Panne in der Marketingabteilung oder durch den Druck erhöhter regulatorischer Anforderungen auf das Des-Informationsblatt geschafft hat: die unten an den Text angehängte Tabelle zur Wertentwicklung. Sie macht mehr als deutlich, was immer in der Blackbox drin ist und war: Chancen oder Renditen waren es sicher nicht.
Wir sind wirklich viel gewöhnt in diesem Kontext, aber hier mussten wir tatsächlich auch dreimal hinsehen, um zu überprüfen, ob wir nicht irgendwas übersehen haben. Sie kennen vielleicht den Quatsch Comedy Club mit seinem Fundstück der Woche. Das beschreibt es hier sehr passend.
Wenn Sie sich die Performance-Zahlen ansehen, werden Sie feststellen, dass in keinem einzigen Zeitraum mit keiner einzigen Strategie und keiner einzigen Risikostruktur eine positive Rendite erzielt wurde.
Nicht mal die Strategie „0 % Chance“ hätte Sie vor einem annualisierten Verlust von -1,0 % in fünf Jahren bewahrt. Insgesamt elf verschiedene Strategien in drei unterschiedlichen Zeiträumen, also 33 Möglichkeiten und keine einzige ist positiv – das ist fast schon Slapstick! Im Übrigen waren diese fünf Jahre von 2016–2020 in Summe keineswegs so schwache Kapitalmarktjahre. Der weltweite Aktienmarkt gemessen am MSCI World entwickelte sich in Summe um ganze 47 % nach oben – also daran lag es sicherlich nicht.
Wir gehen fest davon aus, dass es eine aktuellere Broschüre für diese Strategien nicht mehr gibt; die Marketingabteilung, die dafür verantwortlich war, wurde wahrscheinlich gefeuert. Uns bleibt ein schöner Einblick in ein Musterbeispiel einer Blackbox.
Fondspolicen als Friedhof für schlecht laufende Produkte
Solche krassen Fälle sind tatsächlich die Ausnahme, aber die Problematik dieser Strukturen bleibt. Wenn Sie als Fondsgesellschaft diverse Fonds haben, die seit Jahren keine vernünftigen Ergebnisse liefern, und Ihnen die Anleger reihenweise davonlaufen, haben Sie als Ausweg immer noch die Möglichkeit, diese Fonds in solche selbstverwaltenden Vehikeln der Versicherung zu entsorgen. Das merkt in der Regel niemand und Sie haben Ihren Giftmüll erfolgreich deponiert.
Was das für Sie als Anleger bedeutet, ist natürlich eine andere Sache.
Alles Liebe
Ihr
Stefan Heringer
Neunundvierzig Honorarberatung
P. S.: Die komplette Broschüre können Sie gern über uns beziehen. Schreiben Sie dazu einfach an nachdenken@neunundvierzig.com.
P. P. S.: Wenden Sie sich mit der Überprüfung Ihrer eigenen Verträge bitte an einen unabhängigen Versicherungsberater nach § 34d Abs. 2. Die Neunundvierzig Honorarberatung hat – außer für bestehende Mandanten – derzeit leider keine zeitlichen Ressourcen für Beratung zu bestehenden Lebens- und Rentenversicherungen.
Hier können Sie die weiteren drei Teile aus unserer Reihe "Der kleine Horrorladen" lesen:
- Der Rentenfaktor – eine Kennzahl zum Fürchten
- Provisionen und Kosten
- Die Mär vom glücklichen Spießer
20/05/2023