von Stefan Heringer
Sehr geehrte Damen und Herren,
heute folgt Teil II unserer Berichterstattung aus dem kleinen Horrorladen der Versicherungswirtschaft. Auch heute geht es wieder um eine (angebliche) „Basisanlage für breite Bevölkerungsschichten“ – die fondsgebundene Kapitalversicherung. Ein Unsinn, der nach unserer Beobachtung tatsächlich fast jeden betrifft, vom einfachen Angestellten bis zum Topmanager oder Unternehmer.
Lobbyismus verhindert Provisionsverbot und wirkliche Transparenz
Mein Sozius und ich fragen uns schon lange, wie es der Versicherungsbranche eigentlich seit Jahrzehnten gelingt, völlig dysfunktionale Produkte an den Mann und die Frau zu bringen und damit so lange durchzukommen.
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Der wichtigste Grund ist sicherlich ein aggressiver Lobbyismus mit fast unbegrenzter finanzieller Feuerkraft. Dadurch verhindert die Branche sinnvolle verbraucherfreundliche Gesetzgebung wie zum Beispiel das längst überfällige Provisionsverbot oder zumindest Maßnahmen, die wirkliche Transparenz schaffen.
- Fast genauso gravierend ist aber gleichsam der Unwille vieler Menschen, auch nur für fünf Minuten den Taschenrechner zur Hand zu nehmen und selbst dem Elend ins Gesicht zu sehen.
Ein Honorarberater kann für Sie diese Transparenz schaffen
Darum werde ich heute stellvertretend für Sie etwas Transparenz schaffen und Ihnen anhand eines typischen konkreten Vertrags eines Mandanten zeigen, wo Sie bei Ihren eigenen Verträgen hinschauen müssen.
Im Folgenden sehen Sie das Ergebnis einer fondsgebundenen Rentenversicherung, in die der Versicherte bereits die ersten sechs von insgesamt 36 Jahren fleißig eingezahlt hat.
Begonnen hat er 2015 mit 150,- € pro Monat. Diesen Betrag hat er jährlich etwas – um 2 % – erhöht, um 2021 schließlich bereits 167,52 € pro Monat zu sparen. In Summe hatte unser Mandant nach sechs Jahren ca. 11.350,- € eingezahlt. Ups, da sind ja heute nur 9. 558,81 € drin! Das sind 1.792,- € WENIGER drin, als er eingezahlt hat. Von Rendite ganz zu schweigen! Ein Rechenfehler? Leider nein.
Provisionen vernichten Vermögensbildung
Die Probleme beginnen schon bei der Selektion der aktiven Fonds für die Ansparung. Ein erstes Warnsignal ist ein toll klingender Name oder Buzzwords, die wie hier Nachhaltigkeit suggerieren sollen – naja, da hat zumindest die Marketingabteilung einen guten Job gemacht. Für den Investor ist das Ergebnis eher ernüchternd: Da sind erst mal sehr hohe jährliche Kosten von gut 2 % p. a. und wie zu erwarten eine verglichen mit einer rationalen Investition in ETFs beklagenswerte Wertentwicklung.
Doch das erklärt lediglich einen kleinen Teil des Elends. Selbst die miserablen Fonds in der Police hatten ja von 2015 bis 2021 eine insgesamt positive Wertentwicklung. Der eigentliche Schmerz liegt woanders, und er heißt natürlich Abschlussprovision. Überschlagsweise hat der Versicherungsvermittler, der unserem Mandanten das Produkt verkauft hat, rund 3.250,- € Provision kassiert (5 % von 36 Jahren x 12 Monaten x 150,- €). Eine Summe, die über die ersten fünf Jahre von den Sparraten des Kunden abgezweigt wird. Schaut man auf das Guthaben des Kunden nach sechs Jahren, dann waren das sage und schreibe mehr als 25 % seiner Sparleistung. Das kann keine rationale Anlage der Welt wieder aufholen.
Die zusätzlichen Kosten des Versicherungsmantels geben der Anlage den Rest
Aber egal. Dieses Geld ist ja nun mal unwiderruflich weg. Also schauen wir nach vorne. Lohnt es sich denn, weiter an diesem Produkt festzuhalten? Wie der Bauer sagt: Die Sau wird hinten raus fett. Das Elend der Startphase wird sich ja in Zukunft vielleicht irgendwie kompensieren lassen. Oder? Oder doch nicht?
Denn die Versicherung möchte ja auch weiterhin ihren Anteil haben, und diese Kosten sind noch deutlich weniger transparent als die Abschlussprovision. Sie finden diese irgendwo im Kleingedruckten auf den hinteren Seite Ihrer Police und können diese addieren. Machen Sie sich mal die Mühe und kramen Ihre Verträge raus und blättern in der Police …
Eine wesentlich einfachere Alternative besteht darin, die Ergebnisse der Versicherung und deren Hochrechnungen einer kritischen Berechnung zu unterziehen. Ich habe dazu die Eckdaten der Versicherung in einen Internetrechner eingegeben und bin zu einem für Sie vermutlich erstaunlichen – für uns eher zu erwartenden – Ergebnis gekommen.
Konkret habe ich in den Zinsrechner als Startbetrag die vom Anleger erzielten mageren 9.558,- € eingegeben und ausgerechnet, wie viel unser Mandant denn bei 2,0 %, 3,0 % … 6,0 % unterstellter Wertentwicklung erzielen würde. Diesen Betrag habe ich dann mit dem Betrag verglichen, den die Versicherung in ihren jährlichen Zusendungen für den Anleger hochgerechnet hat. In dem Bild unten habe ich die von mir ermittelte Zahl – ohne Kosten – vor die der Versicherung – also nach Kosten – geschrieben.
Im Klartext: Bei einer Wertentwicklung von 5,0 % würden bei weiterer Ansparung von 167,- € in 30 Jahren 178.484,- € herauskommen – die Versicherung würde Ihnen für diesen ohnehin sehr optimistischen Fall aber nur 131.793,- € auszahlen. Das sind 46.691,- € Differenz zu Ihren Lasten. Prost!
Sie können sich zumindest damit trösten, dass der fehlende Betrag nicht einfach weg ist, er gehört nur jemand anderem – Ihrer Versicherung!
Finger weg von fondsgebundenen Verträgen
Wenn Sie beide Effekte, also Abschlussprovision und laufende Kosten, kombinieren, dann kommen Sie zu dem Ergebnis, dass bei einer Rendite von 5 % – über die Gesamtlaufzeit unterstellt – ein ETF-Sparplan 211.690,- € erwirtschaften würde, die Versicherung nur 131.793,- €. Eine Reduktion des Ergebnisses um fast 80.000,- €! Mit welchen Scheinargumenten die Versicherungswirtschaft diese Differenz schönrechnet, können Sie gern auf meinem Beitrag auf dem Hartmut-Walz-Finanzblog vom September 2022 nachlesen.
Fazit: Fondsgebundene Versicherungen, vor allem mit aktiven Fonds im Versicherungsmantel, sind von der Gesamtkostenbelastung mit das Unattraktivste, was man mit seinem ersparten Kapital machen kann.
Sie sollten einen großen Bogen darum machen. Bestehende Verträge sollten Sie bitte durch einen unabhängigen Versicherungsberater nach § 34 d Abs. 2 überprüfen lassen. Die Neunundvierzig Honorarberatung hat – außer für bestehende Mandanten – derzeit leider keine zeitlichen Ressourcen für Beratung zu bestehenden Lebens- und Rentenversicherungen.
Wenn Sie unser Mandant sind: Immer nur her mit dem Elend, wir schauen uns das an.
Alles Liebe
Ihr Stefan Heringer
P. S.: Rückfragen, Kritik oder Anmerkungen schicken Sie gern an nachdenken@neunundvierzig.com
Hier können Sie die weiteren drei Teile aus unserer Reihe "Der kleine Horrorladen" lesen:
- Der Rentenfaktor – eine Kennzahl zum Fürchten
- Black Box Versicherungen
- Die Mär vom glücklichen Spießer
18/02/2023