von Stefan Heringer
Sehr geehrte Damen und Herren,
schreiben wir wirklich einen Blog über Bausparverträge? Ja. Denn erstaunlicher Weise stolpern wir in unserer Beratungspraxis immer wieder über dieses weitgehend kontraproduktive Produkt.
Kennen Sie noch die amüsante Werbung mit den vielen glücklichen Menschen, die voller Inbrunst behaupteten: „Ich bin ein Spießer“? Der vor einer klassischen Vorstadtidylle geschossene Spot sollte jedem das Bausparen schmackhaft machen – die vermeintlich einfache Möglichkeit, jedem den Traum vom Eigenheim zu ermöglichen.
In den vergangenen zehn Jahren fristeten Bausparer ein Schattendasein. Kein Wunder, bei Darlehenszinsen unter 1 % hat dieses Vehikel natürlich niemand genutzt. Seit die Zinsen jedoch sehr schnell deutlich angezogen haben – mittlerweile liegen zehnjährige Finanzierungen bei gut 4 % –, machen sich wieder mehr Menschen Gedanken, ob man sich „Niedrigzinsen auf Dauer sichern möchte“, wie es in den Werbeaussagen immer so schön heißt.
Mit einem Bausparer sparen Sie über einen relativ langen Zeitraum, meist acht bis zehn Jahre, in einen Vertrag, um dann bei der Zuteilung ein Darlehen für einen vorher festgesetzten Zinssatz nutzen zu können. In Phasen von rasant steigenden Zinsen klingt das erst mal so verlockend, dass der Bausparer eine wahre Renaissance erlebt. Nicht nur bei Otto Normalverbraucher, auch bei hoch vermögenden Privatpersonen, bekommt man – ehe man sich‘s versieht – das Produkt empfohlen respektive verkauft. Grund genug, genauer hinzusehen.
Risiken und Nebenwirkungen von Bausparern
Was hierbei leider immer übersehen und von ganzen Heerscharen von Schwäbisch-Hall-Vertretern gern verschwiegen wird, sind die erheblichen Nachteile, die mit dem Bausparen verbunden sind.
In der Ansparphase liegt der Zinssatz beim Bausparer deutlich unter dem Marktzins. Wo Sie heute praktisch risikolos mit deutschen Staatsanleihen 3 % bekommen, dümpeln die Guthabenzinsen der meisten Verträge bei mickrigen 0,1 % herum. Wenn man die Abschlusskosten von meist 1–2 % berücksichtigt, machen Sie in der Ansparphase nichts anderes als Kapitalvernichtung. Die Opportunitätskosten in der langen Ansparphase sind also massive Zinsverluste, woraus ein deutlich geringeres Eigenkapital bei Inanspruchnahme des Darlehens resultiert. Dieser Effekt verstärkt sich im Übrigen umso mehr, desto höher die Zinsen steigen. Ein Argument, das eigentlich für den Bausparer verwendet wird, entwickelt sich so schnell zum Bumerang.
Ebenfalls bedenken sollte man, dass die Tilgungsannuität, also die Geschwindigkeit, in der Sie Ihre Schulden zurückzahlen müssen, bei Bausparern extrem hoch ist. Meist werden die Darlehen innerhalb von acht bis zehn Jahren wieder getilgt. Die Folge ist, dass Bausparer wenn überhaupt nur einen Baustein innerhalb der Finanzierung darstellen (können). Das Zinsänderungsrisiko der anderen – meist größeren – Bausteine bleibt davon unberührt.
Darüber hinaus muss man sich immer die sehr starre und unflexible Struktur von Bausparern vor Augen halten. Sie sparen auf ein mögliches Ereignis in sehr weiter Zukunft. Der Zuteilungszeitpunkt Ihres Vertrages kann sich selbstverständlich ebenfalls ändern, dieser ist nicht garantiert. Das hängt davon ab, wie viel Liquidität im Bausparkollektiv vorhanden ist. Bei hohen Kapitalmarktzinsen verlängern sich die Zuteilungszeiten für Ihre Darlehen, weil sehr viele Menschen diese bereits in Anspruch nehmen. Und was passiert denn, wenn Sie ein Objekt nicht exakt zur Zuteilung finden, sondern schon Jahre davor? Hier hilft Ihnen dann gern der nette Bausparberater mit einer teuren Zwischenfinanzierung. Wenn Sie das Darlehen erst später brauchen als ursprünglich geplant, dümpeln stattdessen hohe Beträge praktisch unverzinst auf Ihrem Vertrag herum.
Eine Zinswette zu Ihren Ungunsten
Das wirklich einzige Szenario, bei dem Sie mit einem Bausparer profitieren, ist ein Umfeld mit sehr niedrigen Zinsen beim Abschluss und ein Umfeld mit sehr hohen Darlehenszinsen in der Abrufphase. In allen anderen Szenarien hält sich der Mehrwert in Grenzen oder Sie erleiden sogar teils deutliche Nachteile.
Wir maßen uns nicht an, die Zinsen weder kurzfristig noch über einen langen Zeitraum zu prognostizieren. Festhalten lässt sich allerdings, dass Bausparen nichts anderes ist als eine Zinswette über einen sehr langen Zeitraum, die mit einer ziemlich hohen Wahrscheinlichkeit zu Ihren Ungunsten ausfällt. Bausparkassen sind schließlich auch keine wohltätigen Vereinigungen und sitzen am anderen Ende der Zinswette und kalkulieren die Verträge – das allein sollte Ihnen zu denken geben.
Alles Liebe
Ihr Stefan Heringer
P. S.: In einem Beitrag im Unternehmermagazin haben wir den oft schädlichen und völlig am Kundeninteresse vorbeigehenden Vertrieb von Bausparern anhand eines konkreten Falls durchgespielt.
Hier können Sie die bisherigen drei Teile aus unserer Reihe "Der kleine Horrorladen" lesen:
15/06/2024