von Stefan Braun
Sehr geehrte Damen und Herren,
wer stirbt, wird beerbt. Erbrecht betrifft jeden von uns – zumindest einmal. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass sich auch jeder mit diesem Thema auseinandersetzt. Denn für viele Menschen ist es nicht besonders angenehm, sich mit dem Ende ihres Lebens zu befassen. Eine beliebte und auch von mir selbst (zu) lange praktizierte Strategie besteht daher darin, das Thema komplett zu verdrängen oder es nach dem Motto „So alt bin ich nun auch wieder nicht“ in eine unbestimmte Zukunft zu verschieben. Besonders klug ist dies freilich nicht. Gemeinerweise kann der Tod einen jederzeit ereilen. Wenn es dann so weit ist, wird es vermutlich nicht gelingen, dem Tod wie der Brandner Kaspar noch einige Jahre beim Kartenspiel abzuluchsen, um die Erbfolge noch in Ordnung zu bringen.
Die gesetzliche Erbfolge ist nur selten die richtige Lösung
Wer sich dessen bewusst ist, aber das Thema Erbfolge dennoch nicht wirklich angehen möchte, kann eine scheinbar reflektiertere Variante der Verdrängungsstrategie anwenden und es bewusst bei der gesetzlichen Erbfolge belassen. Gewonnen ist dadurch natürlich nur etwas, wenn deren Regeln auch den Interessen dieses Erblassers entsprechen. In der Praxis ist das leider nur selten der Fall. Die gesetzliche Erbfolge bietet zwar klare, aber häufig suboptimale Lösungen.
So entspricht es kaum den Interessen eines Erblassers, wenn eine streitträchtige Erbengemeinschaft zwischen dem Ehepartner und den Geschwistern des Verstorbenen entsteht, wenn das den Kindern hinterlassene Vermögen vom inzwischen ungeliebten Expartner verwaltet (und womöglich durchgebracht?) wird oder wenn durch die Erbfolge stille Reserven eines Betriebsvermögens aufgedeckt werden und dies zu erheblichen einkommensteuerlichen Belastungen führt.
Drei einfache Fragen helfen bei den grundsätzlichen Überlegungen
Kein Testament zu errichten, ist also (fast) nie die Lösung. Wenn Sie es bisher noch nicht getan haben, müssen Sie natürlich nicht so weit gehen wie der römische Staatsmann Cato der Ältere, der es sich angeblich ein Leben lang vorwarf, einen einzigen Tag ohne gültiges Testamten gelebt zu haben. Es ist aber eine gute Idee, die Erbfolge möglichst bald zu gestalten. Die Frage ist nur: Wie? Beginnen sollte man aus meiner Sicht mit drei einfachen Fragen: Was habe ich? Wen habe ich? Was möchte ich, dass mit meinem Vermögen passiert, wenn mir jetzt etwas zustößt?
Ein schlechtes Testament ist häufig schlimmer als gar keines
Wenn Sie auf alle drei Fragen wirklich einfache Antworten finden, können Sie sich grundsätzlich überlegen, selbst das Steuer in die Hand zu nehmen und das Testament ohne fachlichen Rat zu errichten. Dabei sollten Sie unbedingt nach dem Grundsatz „Weniger ist mehr“ verfahren und sich auf ein bis zwei Sätze, am besten auf die Einsetzung eines Erben, beschränken. Denn das deutsche Erbrecht ist in seinen Einzelheiten eine hochkomplexe Materie oder, wie ein bekannter Erbrechtsautor sagte, „ein krasses Wirrwarr“.
Für Laien hält es immer wieder unerwünschte Überraschungen bereit. Dies gilt nicht nur, wenn ein Testament derart verunglückt ist, dass es – etwa wegen Formfehlern – insgesamt unwirksam ist. Schlechte, aber wirksame Testamente richten meist noch mehr Unheil an, als gar kein Testament zu machen. Dies gilt nicht nur bei unklaren Anordnungen, sondern auch, wenn lediglich scheinbar klare Musterformulierungen unkritisch aus Ratgebern oder dem Internet übernommen werden. So kann sich bereits der wohlklingende Satz „Wir setzen unsere Kinder zu Nach- und Ersatzerben ein“ in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament als nicht mehr abzuändernde Falle für den länger lebenden Partner entpuppen.
Zumindest wenn Sie eine komplexere Gestaltung benötigen – etwa wegen eines Angehörigen, der auf besondere Unterstützung angewiesen ist, wegen der Zusammensetzung Ihres Vermögens und unbedingt, wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Partner testieren wollen –, sollten Sie das Steuern vermutlich besser einem Lotsen überlassen und lediglich als Kapitän die Richtung vorgeben: also rechtlichen und steuerlichen Rat in Anspruch nehmen.
Ein guter Berater verhindert auch, wenn Sie zu viel regeln wollen
Nicht alles, was man vielleicht regeln möchte, kann man auch wirksam in einer letztwilligen Verfügung anordnen. So lässt sich etwa der innige Wunsch einer Erblasserin, das Ferienhaus am Meer müsse für immer in der Familie bleiben und allen Nachkommen auf Generationen zur Nutzung zur Verfügung stehen, mit den Instrumenten des deutschen Erbrechts nur schwer umsetzen. Doch selbst dann, wenn findigen Rechtsanwälten und Notaren (oder auch mir) in diesen Fällen meist Konstruktionen einfallen, mit denen solche Ziele dennoch halbwegs erreicht werden könnten.
Nicht alles was geht ist auch sinnvoll
Machen Sie sich bitte eines klar: Nicht alles, was man anordnen kann, sollte auch angeordnet werden. So kann es sein, dass das Feriendomizil über Generationen zu einem Ort wird, an dem sich die Hinterbliebenen treffen und miteinander schöne Stunden verbringen. Mindestens ebenso wahrscheinlich ist es jedoch, dass sich die Nachkommen über die Kosten der Dachrenovierung, die Nutzung in den Sommerferien oder die bei der Abreise wieder einmal nicht richtig aufgeräumte Küche hoffnungslos zerstreiten.
Ein guter Berater wird daher nicht nur Ihre Interessen und Regelungsziele mit Ihnen ermitteln, gewichten und sicher umsetzen, sondern neben den rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen immer auch die menschlichen Folgen der Erbfolge ansprechen.
Alles Liebe
Ihr
Stefan Braun
Transparenzhinweis: Stefan Braun ist Notar in Wolfratshausen und Bruder von Nikolaus Braun.
Unsere drei Lieblingsblogs zum Thema „Generationen“:
- Erben oder wen Mama und Papa am liebsten hatten
- Vermögen generationenübergreifend erhalten
- Prince-Charles-Syndrom
P. S.: Rückfragen, Kritik oder Anmerkungen schicken Sie gern an nachdenken@neunundvierzig.com Wir leiten das dann an den Autor weiter.
28/10/2023