von Marcel van Leeuwen
Sehr geehrte Damen und Herren,
endlich haben die Banken das Thema Nachhaltigkeit für sich entdeckt. Täglich kommen neue Angebote auf den Markt. Eigentlich gut – oder? Doch bei näherer Betrachtung treiben manche Banken es bunter als je zuvor.
Banken als Vorreiter bei Nachhaltigkeit??
Ganz vorne dabei ist die Commerzbank, die vollmundig formuliert: „[…] die Commerzbank (hat) Nachhaltigkeit zu einem Pfeiler ihrer Strategie 2024 gemacht. Für uns bedeutet das: Wir unterstützen unsere Kunden auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und gehen zugleich selbst mit gutem Beispiel voran.“ Na also! Aber ist das auch so?
Der Impact-Fonds klimaVest der Commerzbank ist das Nachhaltigkeitsprodukt, für das derzeit gefühlt die meiste Werbung gemacht wird. Das Ziel: zehn, mit Kredithebelung sogar 25 Milliarden Euro einzusammeln. Der Newsletter Finanz-Szene nennt den klimaVest gar eine „Öko-Bazooka“. Auf den ersten Blick also ein attraktives und sinnvolles Produkt. Denn die Anlagepolitik ist – so die Bank ‒ nachhaltig ausgerichtet, und das glauben wir jetzt einfach mal. Der zweite Blick offenbart allerdings eine andere Seite.
Erst die Bank - dann der Kunde
Gemäß der offiziellen gesetzlich vorgeschriebenen Kundeninformation – kurz: KIID ‒ bietet klimaVest im optimistischsten von vier Szenarien den Anlegerinnen eine jährliche Rendite von 2,54 Prozent (nach Kosten). Gleichzeitig enthält das Produkt Kosten in Höhe von 3,42 Prozent. Sie haben richtig gelesen ‒ und wir haben uns nicht vertippt: Die Commerzbank bietet ein Produkt an, bei dem sogar im günstigsten Szenario die Bank 35 Prozent mehr verdient als der Kunde. Die gute Nachricht, zumindest für die Commerzbank: Das KIID liest erfahrungsgemäß kein normaler Kunde.
Die Bank gewinnt immer
Und wie sieht es mit dem Risiko aus? Für ein Stressszenario weist das KIID eine negative Rendite von lediglich -0,23 Prozent aus. Dabei enthält das Produkt erhebliche Risiken (Risikoklasse vier von sieben) und kann stark mit Kredit gehebelt werden. Bezeichnend: Diese Informationen werden irgendwo in den Hintergrund verbannt. Im Fokus der Werbung steht die zu erwartende Rendite von drei bis vier Prozent. Eine Rendite, die (nach der BVI-Methode) ohne Ausgabeaufschlag berechnet wird, und das, obwohl selbst im Online-Vertrieb vier Prozent Ausgabeaufschlag fällig sind.
Seit Lehmann nichts dazugelernt
Mit klimaVest trifft die Bank die bewusste egoistische Entscheidung, ihre eigenen Interessen – wie gewohnt ‒ über diejenigen der Kundinnen zu stellen. Kosten werden ebenso verschleiert wie Risiken. Die Lernkurve der Bank seit dem Schock und der staatlichen Rettung 2008 ist bestenfalls sehr flach. Im Gegenteil: Das Verhalten der Commerzbank ist vielleicht noch zynischer als bisher: Nachhaltigkeit wird vom authentischen Anliegen zum Buzzword degradiert, zum saftigen Marketing-Köder für eine unkritische Kundschaft, die mit ihrer Kapitalanlage weniger für das Klima tut als für die Rettung einer Bank ohne Geschäftsmodell.
Liebe Grüße, Ihr
Marcel van Leeuwen
P. S.: Ich freue mich auf Rückmeldungen unter: nachdenken@neunundvierzig.com
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30/10/2021