von Stefan Heringer
Sehr geehrte Damen und Herren,
nachhaltige Investments sind en vogue. Es wird seit Jahren viel darüber geschrieben, gesprochen und über die mögliche Implementierung und über deren Wirkung durchaus auch kontrovers diskutiert. Auch wenn uns bewusst ist, dass wir hier aufgrund der Komplexität des Themas stark vereinfachen müssen, versuchen wir, uns das Ganze etwas genauer anzusehen.
Was bedeuten ESG und SRI?
Die gängigste Methode beim nachhaltigen Investment bezieht sich auf ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance). Investoren berücksichtigen dabei ethische, ökologische und soziale Faktoren, um langfristig positive Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt zu erzielen. Umweltfaktoren können die Reduzierung von Ressourcenverbrauch und CO₂-Emissionen beinhalten. Soziale Faktoren umfassen die Achtung der Menschenrechte und die Verbesserung sozialer Gerechtigkeit, etwa die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten. Governance-Kriterien bewerten die Unternehmensführung und die Einhaltung ethischer Standards. Unternehmen, die gegen diese Kriterien verstoßen, werden ausgeschlossen.
Zusätzlich zu harten Ausschlusskriterien, etwa Waffen- oder Suchtmittelproduktion, hoher CO2-Ausstoß oder Atomenergie, wird beim nachhaltigen Investieren meist ein sogenannter Best-in-class-Ansatz berücksichtigt. Hier wird in Unternehmen investiert, die in ihrer Branche nach ethischen und sozialen Maßstäben am besten abschneiden respektive das geringere Übel darstellen. Der Gedanke dahin, „sauberere“ Unternehmen zu bevorzugen und so für die Unternehmensführung einen ökonomisch rationalen Anreiz zu setzen, sich in Richtung mehr Nachhaltigkeit zu bewegen: mehr Investorennachfrage, steigende Kurse, sinkende Kapitalkosten.
Eine ähnliche Herangehensweise wie ESG bietet der sogenannte SRI-Ansatz (Socially Responsible Investing). Da weder ESG noch SRI gesetzlich geschützt noch offiziell definiert sind, werden beide Begriffe häufig synonym verwendet. Auch wenn man sich entsprechende Produkte ansieht, findet man keine harten Kriterien bei der Abgrenzung der beiden Begriffe. Man kann allerdings davon ausgehen, dass SRI in der Regel einen stringenteren Kriterienkatalog anlegt.
Lassen sich nachhaltige Kriterien vernünftig messen?
Kritiker werfen in diesem Zusammenhang zusätzlich ein, dass Nachhaltigkeitskriterien nicht universell sind und sich im Laufe der Zeit ändern können. Ist etwa die Rüstungsindustrie vor dem Hintergrund der russischen Invasion in die Ukraine tatsächlich qua Definition von Übel? Darüber hinaus fällt es oft schwer, zu überprüfen, wie konsequent die jeweiligen Kriterien auf Unternehmensebene umgesetzt werden. Dabei fällt häufig der Begriff „Green Washing“, der bezeichnet, dass Unternehmen, aber auch Investmentgesellschaften ihre Bewertungsmaßstäbe schönrechnen und Nachhaltigkeit nur vorgaukeln.
Eine gesunde Skepsis ist generell angebracht. Es dürfte sicherlich niemanden verwundern, dass ein Unternehmen wie die Deutsche Bank, das ständig im Schaufenster prominent mit Nachhaltigkeit wirbt, aber selber keinen Skandal in den letzten 15 Jahren ausgelassen hat, auch mit ihrer Fondstochter DWS beim Greenwashing ganz vorne mit dabei ist. Die kritischen Stimmen sind also durchaus berechtigt.
In Summe ist die Entwicklung positiv
Man kann aber ebenfalls festhalten, dass es in den letzten Jahren dank Big Data viele Verbesserungen im Bereich der Messbarkeit und Transparenz von Nachhaltigkeitskriterien gegeben hat. Es ist schlicht deutlich schwerer geworden zu betrügen. Die Verbesserungen liegen sicher am Trend zum nachhaltigen Investieren und den Erwartungen der Investoren, aber ebenso sehr an einer gerade in Europa relativ entschlossenen staatlichen Regulierung. Insofern hat nachhaltiges Investieren bereits eine positive Lenkungswirkung.
Die Entwicklungen in diesem Bereich – das Ziel, eine möglichst transparente und nachvollziehbare Umsetzung zu erreichen – ist sicher noch nicht abgeschlossen. Es wird in den nächsten Jahren noch viel passieren. Und auch die – unserer Meinung nach absolut legitime und notwendige – staatliche Regulierung in der Finanzberatung ist Stand heute kaum rechtssicher umsetzbar und auch für den Endkunden weitgehend unverständlich. Dennoch: In Summe ist das Glas eher halb voll als halb leer.
Auch bei nachhaltigem Investieren gilt: Finger weg von teuren aktiven Produktlösungen.
Und wie investiere ich nun möglichst nachhaltig, sofern mir das wichtig ist? Es gibt neben nachhaltigen Indizes mit den entsprechenden Kennungen ESG oder SRI, die man mithilfe von ETFs oder Indexfonds abbilden kann, auch sehr viele Angebote von aktiven Fonds im Nachhaltigkeitsbereich. Es wird Sie nicht verwundern, dass wir davon abraten. Diese Produkte haben die gleichen Probleme wie konventionelle Fonds, auf die wir gebetsmühlenartig hinweisen. Die Kosten sind häufig sogar noch höher und die Erfolgsaussichten damit noch geringer. Die Branche spekuliert offensichtlich darauf, dass ethisch, ökologisch orientierte Anleger weniger preissensibel sind. Es ist also auch in diesem Segment ratsamer, in einfache, transparente, indexnahe Vehikel zu investieren.
Kostet Nachhaltigkeit Rendite?
Und wie schaut es mit der Rendite aus? Erst mal wird das Anlageuniversum durch die nachhaltigen Filter eingeschränkt, was zu geringerer Diversifikation und ein leicht erhöhtes Risiko führt. Hier kann man festhalten, dass es in den letzten fünfzehn Jahren bei den Renditen von nachhaltigen und konventionellen Portfolien immer wieder zu signifikanten Abweichungen in die eine oder andere Richtung kam. Je stringenter ein Produkt nachhaltig ausgerichtet ist, umso deutlicher.
So profitierten nachhaltige Investments ein Stück überproportional von der höheren Tech-Gewichtung, litten aber nach Beginn des Ukraine-Krieges darunter, nicht an der Extra-Konjunktur von Öl, Gas und Rüstung beteiligt gewesen zu sein. In Summe und über längere Zeithorizonte sind die Unterschiede eher gering. Auch die marginal höheren Kosten der entsprechenden Produktlösungen im Vergleich zu konventionellen passiven Produkten sind vernachlässigbar und bewegen sich im Bereich weniger Basispunkte.
Entsprechend sollte nachhaltiges Investieren aus den genannten Gründen primär eine wertegetriebene Entscheidung sein und nicht vorrangig aus Renditegründen erfolgen. Genauso legitim ist es aber unserer Meinung nach, seine Investments konventionell zu allokieren und stattdessen nachhaltig zu leben oder Organisationen zu unterstützen, die ein nachhaltige(re)s Leben und Wirtschaften fördern.
Alles Liebe
Ihr
Stefan Heringer
Drei unserer Lieblingsblogs zum Thema ,Klug entscheiden‘:
- Megatrends - muss das sein?
- Warum es nicht gelingt, den Kapitalmarkt auszutricksen
- Defensive Anlagestrategien
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10/08/2024