von Dr. Nikolaus Braun
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der letzten Folge habe ich Ihnen gezeigt, weshalb Diversifikation das einzige „free lunch“ ist, das es am Kapitalmarkt gibt. Entsprechend schreiben sich fast alle professionellen Investoren, aber auch die meisten Privatanleger in der Theorie Diversifikation auf ihre Fahnen.
Was wir in der Praxis sehen, sieht dann aber meist ganz anders aus. Von den einen wird das Konzept eher als Schlagwort fürs Marketing benutzt und dann ignoriert, zumindest aber mehr oder minder stark aufgeweicht. Die anderen nutzen das Argument Diversifikation, um ein ganzes Potpourri überteuerter und/oder sinnfreier Investmentideen zu legitimieren.
Fehler No. 1: Scheindiversifikation
Von vielen Anlegern werden einfach Dutzende Aktien gekauft. Viel hilft viel. Gerade Selbstentscheider haben dann ein kaum noch zu überblickendes Sammelsurium von Einzelwerten in ihrem Portfolio, die ihnen irgendwann einmal ausgesprochen attraktiv vorkamen. Wie sich die dann auf einzelne Regionen oder Branchen verteilen, ist im Ergebnis dann aber meist zufällig.
In der Praxis sehen wir da häufig eine massive Übergewichtung einer einzelnen Branche oder der klassische Home-Bias, sprich: Deutsche Anleger haben häufig überwiegend deutsche Aktien im Depot, und das, obwohl Deutschland nur 2,0 % des weltweiten Kapitalmarkts ausmacht. Der Hintergrund ist natürlich, dass einem diese Werte eher vertraut erscheinen. Nur was hilft das, wenn Sie – man kann es nicht oft genug wiederholen – keinen Informationsvorsprung gegenüber den anderen Marktteilnehmern haben?
Fehler No. 2: Überlappung
Eine andere klassische Stolperfalle sieht so aus: Sie kaufen ein halbes oder ganzes Dutzend Fonds, die am Ende dann alle mehr oder weniger dasselbe machen, etwa in die gleichen Toppositionen investieren. Die Folge: Einzelne Branchen oder Regionen sind deutlich übergewichtet, andere fehlen in Ihrem Portfolio fast gänzlich. Sie wissen am Ende gar nicht, in was Sie konkret investiert sind. Gerade unter der Headline „Core-Satellite-Strategie“ werden die Satelliten schnell zum Sammelsurium der buntesten Mode-Investments. Dazu erhöhen aktiv gemanagte Fonds Risiken und Kosten Ihrer Anlage, schaffen aber keinen erwartbaren Mehrwert.
Fehler No. 3: Intransparente und kontraproduktive Assetklassen
Es ergibt keinen Sinn, Assetklassen ohne inhärente Verzinsung oder Rendite beizumischen. Ein Unternehmen schuldet einem Investor eine Risikoprämie: sei es als Dividende, Kursentwicklung oder – falls Sie dem Unternehmen Geld geliehen haben – als Zinszahlung. Rohstoffe oder Währungen dagegen steigen im Preis oder fallen, schulden dem Investor aber – anders als Aktien und Renten – keine Risikoprämie. Die Investition in sie ist damit ein klassisches Nullsummenspiel: Der eine gewinnt, der andere verliert. Bei Rohstoffen kommen dazu (bis auf Gold) immense Lager- oder Produktkosten. Sie können sich ja nicht einfach für 50.000,- € Öl oder Stahl in den Keller legen.
Mißtrauen Sie dem Hype
Alles, was den neuen Hype superinnovativ oder angeblich unglaublich intelligent macht, ist im Regelfall teurer Unsinn: Cat-Bonds, Mezzanine, Long-Short-Strategien, Event-Driven-Strategien, Hedgefonds, komplexe Zertifikate, Total-Return- oder Garantieprodukte – da verdienen im Regelfall nur die Produkthersteller oder institutionelle Profis. Und selbst wenn es ex post funktioniert hat: Diese Produkte sind völlig intransparent. Vermutlich haben Sie einfach nur Glück gehabt, denn Sie wissen ja überhaupt nicht, was für Risiken Sie eigentlich eingegangen sind.
Sie wissen jetzt, wie das Grundprinzip der Diversifikation aussieht und wie Sie die größten Fehler vermeiden. In der nächsten Folge zeige ich Ihnen, wie ein rational diversifiziertes Portfolio konkret aussieht.
Alles Liebe
Ihr
Nikolaus Braun
Neunundvierzig Honorarberatung
P. S.: Rückfragen, Kritik oder Anmerkungen schicken Sie gern an nachdenken@neunundvierzig.com
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16/09/2023