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Einer kam durch

von Stefan Heringer

Sehr geehrte Damen und Herren,

im letzten Beitrag zum Thema „Kognitive Verzerrungen“ habe ich Ihnen den Hindsight Bias erklärt, demzufolge Menschen ein Ereignis im Nachhinein als vorhersehbar einschätzen, obwohl dessen Eintreten im vorhinein sehr unsicher war. Heute möchte ich Ihnen einen Denkfehler aufzeigen, der dazu führen kann, dass Sie falsche Schlussfolgerungen ziehen und Ihre eigenen Erfolgswahrscheinlichkeiten, etwa bei der Selektion geeigneter Investments, systematisch überschätzen.

Wenn man sich mit Statistiken über die Erfolge aktiv gemanagter Investmentfonds beschäftigt, erliegt man regelmäßig einer klassischen kognitiven Verzerrung: dem Survivorship Bias.

Die meisten Statistiken, die Sie über die Ergebnisse von Investmentfonds in der Vergangenheit gezeigt bekommen, sehen auf den ersten Blick gar nicht so schlecht aus. Die meisten Fonds laufen ähnlich wie der Markt, man hat also nichts kaputt gemacht. Es gibt zwar relativ viele Verlierer, aber – rechnet man die Manager mit, die ungefähr die Marktrendite erzielt haben – auch fast so viele Gewinner. Das sieht dann grafisch ähnlich aus wie die klassische Gaußsche Normalverteilung: Offenbar hat man also eine Fifity:Fifity-Chance, auf der heiteren Seite des Spiels zu landen. Man muss halt einfach nur einen guten Manager wählen, wohl am besten einen, der auch in der Vergangenheit schon das richtige Händchen hatte.

Die Statistiken erfolgreicher Fondsmanager sind verfälscht

Neben der bereits von uns beschriebenen Tatsache, dass die Erfolgsgeschichten dieser Manager mitnichten nachhaltig sind, fehlt bei praktisch allen Rückbetrachtungen eine eminent wichtige Information: Sie sehen nur diejenigen Fonds, die es ins Ziel geschafft haben, die es also während des gesamten Betrachtungszeitraums gegeben hat. Und das sind keine Rundungsdifferenzen. Beispiel gefällig: Bei einer über 35 Jahre angelegten Studie, in der Vanguard-Gründer John Bogle die Renditen von über 350 US-Aktienfonds untersucht hat, hatten über zwei Drittel (!) der Fonds das Ende der Studie gar nicht erlebt. Und Investmentfonds werden nicht wegen Reichtums geschlossen, sondern überwiegend wegen Erfolgslosigkeit. Ihnen sind dank schlechter Ergebnisse schlicht die Anleger davongelaufen. Sieht man das ganze Bild, sinken die Erfolgschancen bei diesem Looser-Spiel dramatisch.

Ein Bill Gates : eine Million Verlierer

Die Wirtschaftsgeschichte ist voll von Erfolgsgeschichten – auch hier kommt uns regelmäßig die „Survivorship Bias“ in die Queere: der Student, der scheinbar aus dem Nichts einen Weltkonzern schuf wie Mark Zuckerberg mit Facebook (Meta). Der Hedgefonds-Manager George Soros, der mit einer großen aufgegangenen Devisen-Wette zur Investmentlegende wurde. Risiko-Kapitalgeber, die mit einer einzigen erfolgreichen Investition Multimillionäre wurden.


Hier lohnt sich aber ebenso innezuhalten, zu reflektieren und sich der gesamten Faktenlage klarzuwerden. Die Überlebensrate von Start-ups liegt statistisch je nach Branche bei etwa 10–15%. Bei Venture-Capital-Investoren, alles Profis mit Know-how und teilweise ganzen Abteilungen zur Beurteilung ihrer investierten Unternehmen, liegt die Wahrscheinlichkeit, das nächste Unicorn zu erwischen, im Promillebereich. Auch hier wird die überwiegende Mehrzahl der Investitionen nach einigen Jahren massiv wertberichtigt oder komplett abgeschrieben.

Wird mein Sohn der nächste Ronaldo?

Diese Erkenntnis sollten Sie sich auch im Privatleben immer wieder vor Augen führen, auch wenn es sehr ernüchternd ist. Ich bin in meiner Freizeit Fußballtrainer einer U10 – mein Sohn ist leidenschaftlicher Kicker, so wie ich es in meiner Kindheit war. Natürlich träumt auch er davon, der nächste CR7 zu werden (mein Vorbild war damals auch eine Nummer 7 – Mehmet Scholl) oder „wenigstens“ ein Bundesligaspieler. Von Hunderten hoffnungsvollen Talenten schafft es mit viel Glück gerade mal eines, aus seinem Talent später seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Auf einen Ed Sheeran kommen zahllose talentierte junge Sängerinnen und Songwriter, bei denen die Musik lebenslang zwangsläufig nur ein Hobby bleiben wird. Es müssen für die entsprechenden Erfolge unglaublich viele Dinge zusammenpassen, die zum großen Teil überhaupt nicht in der eigenen Entscheidungsgewalt liegen.

Bewahren Sie sich deshalb in allen Bereichen – auch am Kapitalmarkt – einen reflektierten und realistischen Blick auf die wenigen herausragenden Erfolgsgeschichten.

Alles Liebe

Ihr

Stefan Heringer

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01/06/2024

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