von Dr. Nikolaus Braun
Sehr geehrte Damen und Herren,
als ich vor ungefähr zwölf Jahren Gerd Kommer am Rande einer Investmentkonferenz kennengelernt habe, hat er zu mir gesagt: „Zu 90 % ist gutes Investment das, was übrigbleibt, wenn man die unnötigen Fehler vermeidet.“ Ich habe seitdem viel von dem Austausch mit ihm profitiert, vermutlich aber am meisten von diesem einen Satz.
Und genau das machen wir jetzt: Wir schauen uns an, was übrigbleibt, wenn man die vermeidbaren Fehler ausschließt, die ich im zweiten Teil der Reihe zur Diversifikation erläutert habe.
Ein gut diversifiziertes Portfolio braucht im Prinzip nur Aktien und Anleihen
Wie wir bereits gesehen haben, braucht eine effiziente Streuung kein Potpourri an (scheinbaren) Assetklassen. So bleiben im Ausschlussverfahren letztlich nur Aktien und Renten übrig. Denn Immobilien sind im Portfolio nur schwer abzubilden und die irrationale Ersatzwährung Gold sollten Sie wenn, dann nur sehr niedrig dosieren.
Warum Anleihen nötig sind
Anleihen gehören als Stabilisator in (fast) jedes Portfolio. Ja, Anleihen bringen in der Regel keine positive Rendite nach Inflation und Steuer, aber das ist auch nicht ihre Funktion im Portfolio. Ihre Aufgabe ist es, das Portfolio in Krisenzeiten zu stabilisieren, Verluste auf ein erträgliches Maß zu reduzieren und den Anleger liquide zu halten. In der Geschichte der Bundesliga haben erst drei Torhüter aus dem Spielverlauf heraus ein Tor geschossen. Dennoch spielen erstaunlicherweise alle mir bekannten Vereine mit Torwart und mit, was die Torbilanz angeht, ähnlich deprimierend erfolglosen Verteidigern.
Es gibt kein Patentrezept, wie viele Anleihen Sie brauchen. Ein Mix von 60 % Aktien und 40 % Anleihen passt zwar häufig, ich warne aber ausdrücklich vor Pauschallösungen. Viel entscheidender sind die individuelle Lebenssituation, Lebensplanung und das meist selbst überschätzte Nervenkostüm. Die meisten Anleger können objektiv „eigentlich“ wesentlich mehr Risiko tragen, als sie im Ernstfall dann subjektiv tatsächlich ertragen können. Das nehmen viel zu viele auf die leichte Schulter: Denn es ist durchaus denkbar, dass sich der Wert des Aktienanteils in Ihrem Depot auch bei optimaler Streuung binnen eines Jahres halbiert.
Solche Rückschläge im Aktienvermögen, das kann man nicht oft genug betonen, sind Stress pur – ähnlich wie eine brennende Scheune für einen Bauern vor 500 Jahren. Da klar bei Verstand zu bleiben, ist unglaublich schwierig, und dafür braucht auch jeder noch so rationale Anleger einen Notfallplan. Und übertreiben Sie es mit der Aktienquote nicht. Ihr Gemütszustand in der nächsten schärferen Korrektur wird es Ihnen danken.
Weltweite Streuung durch ETFs
ETFs, also transparente und kostengünstige Indexfonds, sind ein sehr effizientes und intelligentes Vehikel, um Ihr Depot konsequent global zu streuen. Sie wissen genau, wie und wo Sie investiert sind, können Überschneidungen vermeiden und machen sich nicht von der scheinbaren Genialität eines Managers abhängig.
Ich rate Selbstentscheidern, ihr Portfolio lieber nicht ganz perfekt zu gestalten und es dafür beherrschbar zu halten, anstatt sich bei der Daueroptimierung zu verzetteln oder vom Weg abzukommen. In der Praxis sehe ich einfach viel zu oft, was dabei rauskommt. Für den Hausgebrauch reicht ein Portfolio mit zwei Produkten aus:
- ein Renten-ETF mit kurzlaufenden Anleihen sehr guter Schuldner, also etwa deutsche Staatsanleihen;
- ein Aktien-ETF auf den MSCI ACWI IMI Index. Der Index enthält über 9000 Aktien aus 23 Industrieländern und 24 Schwellenländern und bildet dabei sowohl Large Caps als auch kleinere Unternehmen ab. Das ist eine vernünftige Streuung.
Ja, natürlich geht das ein gutes Stück besser, präziser oder differenzierter. Man könnte etwa Teilmärkte, die im MSCI ACWI IMI Index abgebildet werden, separat kaufen und damit Kosten sparen. Oder sogenannte Faktoren wie Value, Quality, Profitability oder Momentum durch entsprechende Indizes abbilden. Auch die Anleihenseite ist in der empfohlenen Form letztlich (viel) zu einfach. Das Portfolio weiter zu optimieren, ist in der Theorie gar nicht so schwierig. In der Praxis sehe ich aber, dass sich acht von zehn Anlegern dabei verheddern. Lassen Sie es lieber und nutzen Sie die ersparte Zeit sowie die ersparten Nerven für sich oder die Familie. Gut ist gut genug.
Wartung für Ihr Portfolio
Zu Beginn eine Warnung: Bei einem selbst vernünftig aufgestellten Portfolio sind Hektik und Aktionismus fehl am Platz. Viel hilft nicht viel. Ich erlebe immer wieder, dass Privatanleger monatlich, teilweise sogar mit noch engerer Taktung ihre Werte überwachen und anpassen. Jede vermeintliche Opportunität muss mitgenommen oder vermeintlich antizipiert werden. Das kostet zum einen Zeit und Trading-Gebühren, zum anderen werden dadurch die Ergebnisse nachweislich nicht besser, sondern schlechter. Zumal eine rationale Struktur dadurch früher oder später unweigerlich aufgeweicht wird.
Es reicht im Regelfall, ein- oder zweimal im Jahr die Gewichtungen der Anlage zu überprüfen. Und nur wenn sich die Gewichtungen innerhalb einzelner Assetklassen signifikant – etwa um 5,0 % – verschoben haben, sollten Sie Ihr Portfolio auf Werkseinstellung zurückstellen, also ein Rebalancing durchführen: Sprich in schlechten Zeiten Aktien günstig nachkaufen, in guten Zeiten Gewinne realisieren und in Anleihen umschichten. So halten Sie das Risiko Ihres Depots langfristig konstant.
So weit, so gut und alles auch ziemlich einfach und logisch – oder? Wäre da nicht eine Reihe von Risiken und Nebenwirkungen, die dazu führen, dass Diversifikation für den Anleger eine regelrechte Zumutung sein kann. Das zeige ich Ihnen im vierten und letzten Teil unserer Reihe.
Alles Liebe
Ihr
Nikolaus Braun
Neunundvierzig Honorarberatung
Drei unserer Lieblingsblogs zum Thema ,Klug entscheiden‘:
- Megatrends muss das sein?
- Warum es nicht gelingt, den Kapitalmarkt auszutricksen
- Defensive Anlagestrategien
P.S.: Rückfragen, Kritik oder Anmerkungen schicken Sie gern an nachdenken@neunundvierzig.com
14/10/2023